Die Corona-Krise trifft den Chartermarkt schon seit Wochen mit einer Härte, die es nie zuvor gegeben hat. Flottenbetreiber und Agenturen berichten durch die Bank vom schnellen Völligem Buchungsstillstand, viele Verträge verschoben & oder storniert Werden.
Dabei zeigen sich allerdings die Deutschen als interessiertd krisenfest: „Ich bin jetzt 30 Jahre im Geschäft und habe auch schon viel erlebt. Aber wie die Kunden jetzt reagieren, das ist schon einfach beeindruckend“, sagt Dirk Kadach, Marketing-Chef von 1. Klasse Yachten aus Heiligenhafen. „Fast alle haben flexibel und freundlich reagiert, zeigen Verständnis für unsere Situation und haben umgebucht statt zu stornieren. Unsere Häfen an der Ostsee sind jetzt erstmal bis zum 19. April gesperrt. Wir bieten den Kunden andere Termine in diesem Jahr oder 2021 an.“ Die Boote liegen startklar am Steg, wie er in einem Youtube-Video zeigt.
Trotzdem wird die Situation nun schwerer, weil die Saison an den Stützpunkten der Norddeutschen auf Mallorca und in Kroatien beginnt. In Spanien haben die Behörden den Ausnahmezustand und damit auch die Sperrung der Häfen bis zum 11. April verlängert – auch dort liegt Umbuchen vor Stornieren im Trend. Genauso wie in Kroatien: Die Regierung dort hat zwar keine Einreisesperre verhängt, aber Deutsche müssten nach Einreise in eine 14-tägige häusliche Quarantäne, eine Reise ist damit auch faktisch unmöglich geworden.
Aber im Mittelmeer sind die Flüge natürlich ein zweites Problem. Ob Kunden diese zu einem späteren Termin problemlos bekommen, ist schwer abzuschätzen. Sobald die Krise abebbt, dürfte der Reisemarkt mit einem gehörigen Nachhol-Potenzial wieder anspringen, Flüge könnten dann zur Mangelware werden.
Andreas Fritsch/YACHT
Andreas Fritsch/YACHT
Klaus Pitt
In der Branche ist die Präferierung der Umbuchung von Törns ganz eindeutig: Die große Mehrheit der Flottenbetreiber bieten solche Umbuchungen an, etwa Pitter Yachting in Kroatien, Sun Charter oder VPM/Bestsail für alle Stützpunkte. Zudem kommen viele Firmenkunden, die noch mit der Urlaubsbuchung zögern, weit entgegen: „Zurzeit verlangen wir nur 10 Prozent Anzahlung für eine Buchung statt der sonst üblichen 30 bis 50 Prozent. Und die Schlussrate muss erst zwei, drei Wochen vor Antritt des Törns geleistet werden, um den Kunden die Sorge für eine Buchung in diesem Spätsommer oder Herbst zu nehmen“, so Klaus Pitter, Geschäftsführer und Mitinhaber von Pitter Yachting. Jede Firma geht da ihren eigenen Weg, Kunden sollten auf den Webseiten der Anbieter nachschauen oder ihre Agentur fragen.
An diesem Punkt wird das Dilemma der Charterkunden sichtbar: Die, die bereits eine Charter gebucht haben, stehen vor der Frage, was sie tun sollen: Umbuchen? Stöbern? Täglich landen bei der YACHT-Redaktion die Fragen besorgter Segler: Kann ich kostenlos stornieren, weil es inzwischen eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt? Andere erkundigen sich, ob sie die zweite Rate einer Charta zahlen sollen oder lieber nicht. Wieder andere fragen, ob sie später im Jahr einen Urlaub buchen sollen oder besser abwarten, wie sich die Corona-Krise weiter entwickelt.
Schlechte Nachrichten gibt es aus juristischer Perspektive für Kunden, die eine ganz normale Bareboat-Charter abgeschlossen haben. Da für ihren Vertrag nicht das sehr kundenfreundliche Reise-, sondern fast immer das Mietrecht gilt (Ausnahme sind oft Kojencharter, Flottillen oder Fun-Regatten), bedeutet für sie die neue,
globale Reisewarnung des Auswärtigen Amtes
nicht automatisch, dass sie ein Anrecht auf eine Erstattung der Reisekosten hätten. Wie verzwickt die Lage ist, erläutert Benyamin Tanis von der Kanzlei Ben Tanis/von der Mosel aus Kiel, die sich für den VDC mit der Frage auseinandergesetzt hat.
„Grundsätzlich gibt es zwei Varianten in der Koronakrise dies auf eine Erstattung der geleisteten Zahlungen hinaus, weil der Flottenbetreiber seine Leistung nicht erbringen kann.“ Anders sei dies aber, wenn die Corona-Krise auf beiden Seiten als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ bezeichnet würde. „Dann müsste nach EU-Recht ein ‚Interessensausgleich‘ stattfinden Das lohnt sich aber wegen hoher Anwalts-, Übersetzungs- und Reisekosten meistens nicht.
Die Corona-Epidemie ist ein Fall von höherer Gewalt, der es juristisch kompliziert macht. Einfach so bei voller Kostenerstattung zurücktreten kann schwierig werden. Kunden sollten kritisch prüfen, wie sie vorgehen. Am einfachsten ist es sicher, mit dem Flottenbetreiber und/oder der Agentur Kontakt aufzunehmen und eine Verschiebung des Törntermins zu besprechen, die meisten Firmen sind dazu gern und ohne weitere Kosten bereit. Manche Firmen, wie etwa die französische Dream Yacht Charter, behalten sich aber vor, bei einer Verschiebung in das Jahr 2021 die mögliche und übliche Erhöhung der Preisliste als Aufschlag zu verlangen.
Sind Skipper oder Crew zur Verschiebung nicht in der Lage, bleibt nur eine Stornierung des bestehenden Vertrages. Liegt der hinter den derzeitigen Terminen für Hafen- und Reise-Sperrungen in einzelnen Ländern, etwa in Frankreich oder Spanien bis in den April hinein, wird es teuer: „Dann gelten die Storno-Regelungen aus den AGB des Chartervertrags“, so Christian Zaloudek, Vorstandsmitglied der Vereinigung Deutscher Yacht-Charterunternehmen (VDC). „Die meisten Verträge sehen dafür Fristen bereits vier bis sechs Wochen vor Antritt des Törns vor.“ Storniert die Chartercrew, ist oft die Anzahlung oder ein Teil von ihr als Gebühr fällig.
Ein anderes Problem ist, dass manche Flottenbetreiber zu einer Erstattung aller Anzahlungen so kurz vor dem Törn gar nicht mehr in der Lage sein könnten. Die Schiffe sind bereits gewartet und im Wasser, die Liegeplätze gebucht und bezahlt, ebenso Versicherungen und Leistungen des Personals. Es kann gut sein, dass viele Firmen nicht die nötige Liqudität zu bezahlen haben. Es ist möglich, sollte die Krise noch in den Sommer hineinhalten, dass einige Firmen in Schwierigkeiten geraten.
Viele steuern bereits massiv gegen, von vielen Flottenbetreibern ist von Kurzarbeit oder Zwangsurlaub für Personal die Rede. Wie sehen Firmenbesitzer in die ungewisse Zukunft? Recht offen spricht darüber Klaus Pitter von Pitter Yachting. „Wir alle wünschen uns natürlich, dass die Saison vielleicht im Juni anläuft, aber ehrlich gesagt rechne ich inzwischen eher mit August. Das Problem der Charterbranche ist nur, dass wir nicht wie Industriefirmen nach dem Einbruch einfach durch Mehrarbeit oder Extraschichten den Verlust aufholen können. Die Wochen, die wir im Frühjahr verlieren, sind eben verloren.“
Der Österreicher sieht sich aber auch gut gerüstet, zur Not ein ganzes Jahr Krise durchzuhalten. „Die meisten unserer Schiffe gehören Eignern, die Last der Rückgänge wird also auf viele Schultern verteilt. Nur ganz wenige Eigner haben ihr Boot mit hohen Krediten, die meisten halten eine längere Durststrecke durch gehören, natürlich anders.“ Pitter ist krisenerprobt, schon den Balkankrieg in den Neunzigern überlebte die Firma.
Es ist kein Geheimnis, dass besonders die Märkte in Kroatien und Italien als schwierig wegen der großen Konkurrenz gelten. Bislang sind aber noch keine Insolvenzen bekannt geworden. Dafür haben sie aber auch Vorteile: „Ich glaube, wenn es wieder losgeht, springt der kroatische Markt als erster wieder an, die einfache Autoanreise ist da am Mittelmeer unschlagbar“, sagt Klaus Pitter. Ähnlich sieht es auch Marc Rosendahl von Sun Charter, der eine Basis unter anderem in Pula hat: „Die Leute haben in der Krise auch gelernt, dass Segeln als Individual-Reiseform viel sicherer als etwa die Kreuzfahrt-Industrie ist, wo Hunderte von Kunden wochenlang auf den Schiffen in Zwangsquarantäne musste!“
Für die Charterbranche dürften die nächsten Monate zu den nervenaufreibendsten ihrer Geschichte werden. Wann gehen die Infektionszahlen zurück? Wann werden Sperrungen aufgehoben? Wann normalisiert sich das Geschäft wieder? Hilft der Staat schnell und unbürokratisch mit Krediten, Steuerstundungen oder Subventionen? In Frankreich etwa soll der Staat die Stornorechte der Kunden haben, um die Reisebranche zu schützen. Auch in Deutschland laufen angeblich hinter den Kulissen schon Diskussionen zu ähnlichen Schritten. Wie auch immer es tatsächlich kommt, die nächsten zwei, drei Monate dürften für viele Firmen die härteste Bewährungsprobe ihres Bestehens werden.
Quelle: www.yacht.de