Wie Amerikas Super-U-Boot die Sowjetunion schockierte
Bereits 1952 hatte die US Navy mit dem Bau eines Atom-U-Boots begonnen. 1958 wurde die „Nautilus“ unter dem Kommando von William Anderson auf eine Geheimmission geschickt. Sie sollten die technische Überlegenheit der USA dokumentieren.

3. August 1958: Die USS „Nautilus“ erreicht den Nordpol
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Der Auftrag, den William T. Anderson (1921–2007) von US-Präsident Dwight D. Eisenhower erhalten hatte, war ebenso dringend wie geheim. Als Kommandant der USS „Nautilus“ sollte er der ganzen Welt beweisen, dass die Vereinigten Staaten technisch mit der UdSSR mithalten konnten, nachdem diese im Oktober 1957 mit dem Start des Satelliten „Sputnik“ einen Propaganda-Sieg im Kalten Krieg eingefahren hatten. Allerdings lag Andersons Ziel nicht im Weltraum, sondern auf dem 90. Breitengrad, dem Nordpol.
Dass außer dem Präsidenten, wenige hohe Stäben und den direkt beteiligten Niemand von der „Operation Sunshine“ wussten, hatte gute Gründe. Denn für das Unternehmen wurde das modernste Waffensystem der USA eingesetzt, das bereits zweimal vergeblich versucht hatte, den Nordpol zu erreichen, unter Wasser versteht sich. Denn die „Nautilus“ war das erste Atom-U-Boot der Welt. Ihr Scheitern hätte einen fatalen Prestigeverlust bedeutet.
William T. Anderson (1921–2007), U-Boot-Kommandant und Politiker
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Kapitän William T. Anderson stammte aus einer ländlichen Gemeinde in Tennessee und hatte sich im Zweiten Weltkrieg zur U-Boot-Waffe gemeldet. Damit galt er als einer der erfahrensten U-Boot-Kommandanten. Nach verschiedenen Verwendungen wurde er 1957 auf die „Nautilus“ berufen.
Dass U-Boote nicht nur zur Jagd auf Schiffe taugten, hatten die Amerikaner am Ende des Zweiten Weltkriegs gelernt. Nach der Kapitulation Japans zeigten sich ihnen unvermutet drei riesige Unterwasser-Flugzeugträger, die sich mit mehreren Bombern an Bord der US-Flotte unbemerkt genähert hatten. Diese Boote – mit 120 Meter um ein Viertel länger als die „Nautilus“ – waren konstruiert worden, um New York oder Washington und später die Schleusen des Panamakanals mit Flugzeugen anzugreifen. Ihre Reichweite betrug 70.000 Kilometer.
Um diese strategischen Waffen dem Zugriff des Weltkriegspartners der Sowjetunion zu entziehen, waren sie 1946 vor Hawaii versenkt worden. Sechs Jahre später wurde die „Nautilus“ auf Kiel gelegt. Ihre Hauptbewaffnung waren zwar noch Torpedos und keine Raketen. Aber mit ihrem Atom-Antrieb war sie allen konventionellen U-Booten eine Geschwindigkeit und Tauchfähigkeit überlegen. Bereits im Januar 1954 konnte Mamie Eisenhower, die Frau des US-Präsidenten, das Schiff taufen.
Im Gegensatz zu den einheimischen Unterwasserkreuzern, mit denen Japan die USA angreifen wollte und die nicht einmal richtige Toiletten an Bord hatten, war die „Nautilus“ geradezu luxuriös ausgestattet. Da Antrieb und Treibstoff wesentlich weniger Raum ausnutzt, verfügt das Boot über einen Kinosaal, eine Bibliothek und sogar über eine Jukebox. Modernste Filter erlaubt sogar das Rauchen an Bord.
Die Bootsmesse der „Nautilus“
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Im Torpedoraum
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Mit der Nautilus sollte nicht nur die Moral in Kampfeinsätzen ausgeprägt werden, sondern auch für einen spektakulären Coup erstellt werden. Mit dem Tauchgang unter dem Nordpol wollte die Eisenhower-Administration der Sowjetunion zeigen, dass sie ein U-Boot direkt vor ihrer Nase postieren konnte und damit gleichzeitig Kritikern der Hochrüstung in den USA den Wind aus den Segeln nehmen.
Um die Welt für „Operation Sunshine“ bereit zu machen, hatte man Disney zur Verfilmung von Jules Vernes Roman „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“ bewegt. Darin spielt Nemos „Nautilus“ ebenfalls die Hauptrolle. Zum Stapellauf 1954 kam der Film mit James Mason und Kirk Douglas in die Kinos. Doch bald zeigte sich, dass es mit dem Tauchen nicht getan war. Ein erster Marsch zum Nordpol scheiterte, weil der Kreiselkompass verrückt spielte. Ein zweiter musste abgebrochen werden, weil das 97,5 Meter lange und 3700 Tonnen verdrängende Boot zwischen Eisbergen und Meeresboden eingeklemmt zu werden drohte. „Wir hatten gelernt, dass das Eis ein Feind ist, den Mann respektieren muss“, notierte Anderson 1959 rückblickend.
Die USS „Nautilus“ nach ihrer Indienststellung 1955
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Als er mit der „Nautilus“ am 23. Juli 1958 von Pearl Harbor aus in das Nordpolarmeer aufbrach, stand er daher mächtig unter Erfolgsdruck. Acht Tage später begann an der Nordküste Alaskas die endgültige Tauchfahrt 120 Meter unter dem Eis. Geführt von einem hypermodernen Sonarsystem, dass permanent den Raum zwischen Meeresboden und Eisdecke kontrollierte, glitzert das Boot durch die Dunkelheit.
Nach gut 2000 Kilometern senkte sich am 3. August gegen 23.10 Uhr „eine feierliche Stille auf das Boot herab“, schrieb Anderson. „Ich warf einen Blick auf den Abstandsmesser und zählte laut für die Mannschaft mit: Acht … sechs … vier … drei … zwei, eins … Jetzt! Für die Vereinigten Staaten und ihre Flotte: ein Hoch auf den Nordpol!“
Die Route unter dem Nordpol
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Zwei Tage später signalisierte die Nachricht „Nautilus 90 Nord“ der amerikanischen Führung das Gelingen von „Sunshine“. Die Weltöffentlichkeit hatte ihre Sensation und die Sowjetunion den Schock, dass ein feindliches U-Boot unbemerkt vor ihrer Küste entlang gefahren war. Erst im Juni 1962 erreichte mit der „Leninski Komsomol“ ein sowjetisches Atom-U-Boot den Nordpol.
Anderson wurde mit der „Legion of Merit“ ausgezeichnet und nutzte seine Popularität für den Einstieg in die Politik. Wiederholt wurde er für die Demokraten, die damals noch traditionell die konservativen US-Südstaaten beherrschten, in das Repräsentantenhaus gewählt. Aber Andersons liberale Gesinnung kollidierte bald mit dem Zeitgeist des Südens, wie überhaupt das amerikanische Parteiensystem über die Bürgerrechtsbewegung in Schieflage geriet. In den 1970ern kamen auch in Tennessee die Republikaner an die Macht. Anderson zog sich ins Privatleben zurück und starb 2007 in Leesburg (Virginia).
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Quelle: news.google.com